Keine eingebildeten Kranken
In diesem Blogartikel möchte ich Ihnen erklären, worum es sich bei psychosomatischen Problemen bzw. Störungen und bei der Diagnose „somatoforme Störungen“ handelt.
Psychosomatische Erkrankungen sind im Allgemeinen psychische Störungen, die sich durch körperliche Symptome
äußern. Menschen reagieren dadurch beispielsweise auf Stress und ungelöste Konflikte. So kann zum Beispiel auch eine Essstörung psychosomatisch sein.
Als somatoforme Störung bezeichnet man funktionelle Körperbeschwerden, die sich durch körperliche Ursachen nicht ausreichend erklären lassen. Oftmals kommt es hier vor, dass sich die Psychosomatik und die Psychiatrie überlappen. Einige Krankheiten werden jedoch nur in der Psychiatrie behandelt wie zum Beispiel Demenzen.
Je nachdem, ob die körperlichen oder die psychischen Beschwerden bei einer somatoformen Störung überwiegen, wird mitunter zunächst an den Körpersymptomen gearbeitet, bevor eine Psychotherapie begonnen wird. Von funktionellen Körperbeschwerden spricht man, wenn bestimmte Organe oder Strukturen im Körper nicht richtig funktionieren, aber nicht grundsätzlich in ihrer Struktur beschädigt oder verändert sind. Dennoch ist der Leidensdruck der Patient:innen, der gefühlte Schmerz echt.
Oftmals langer Leidensweg
Oft leiden Patient:innen fünf bis sieben Jahre
unter einer somatoformen Störung, bis die entsprechende Diagnose gestellt wird. Hier ist es sehr wichtig, richtig mit diesen Patient:innen umzugehen und nicht ausschließlich nach einer körperlichen Erklärung der Beschwerden zu suchen.
Hauptsächlich konzentrieren sich die Beschwerden auf den Rücken oder den Kopf. Es gibt aber auch Beschwerdebilder, bei denen die Symptome immer wieder an anderen Körperstellen auftauchen. Eine Möglichkeit ist auch, dass die Symptome hauptsächlich vegetativer Art sind wie beispielsweise Schwindel, Herzstolpern, ständiger Harndrang, Brennen im Harnleiter, Blähungen, Durchfälle und Verdauungsbeschwerden
usw.
Der lange Leidensweg der Patient:innen erklärt sich aus einem Teufelskreis. Ärzt:innen, die ihren Schwerpunkt nicht in der psychosomatischen Medizin haben, könnten die Symptome eventuell nicht richtig deuten. Patient:innen fühlen sich daher unverstanden
und die Beschwerden bleiben bestehen. Bei Patient:innen stellt sich eine Enttäuschung über die Behandelnden ein. Auch eine reine Psychotherapie, zum Beispiel eine Psychoanalyse, ist oftmals alleine nicht ausreichend, da die körperlichen Sensationen bzw. körperlichen Symptome nicht hinreichend berücksichtigt werden. Der Patient leidet also zum einen unter seinen Symptomen und zum anderen unter dem Unverständnis der Ärzte. Resultat ist das sogenannte doctor shopping
oder doctor hopping, also das Aufsuchen vieler verschiedener Ärzt:innen und medizinischer Einrichtungen.
Hauptsächlich von somatoformen Störungen betroffen sind Menschen im frühen Erwachsenenalter. Ursächlich auslösend sind dabei oft einschneidende Veränderungen
oder Erlebnisse. Im Säuglingsalter sind Körperbeschwerden bzw. sogenannte Körpersensationen sehr häufig. In diesem Alter lernen wir zu desomatisieren und zu mentalisieren und begreifen, dass Gefühle auch eine körperliche Komponente haben. Oftmals manifestieren sich somatoforme Störungen an der Schwelle zum Erwachsenwerden bzw. beim Abnabelungsprozess von Eltern und Haus zum ersten Mal. Von Resomatisierung
sprechen wir, wenn es zu einem Rückfall, insbesondere in sehr großen Stresssituationen, kommt und hierbei eine Somatisierung, zum Beispiel in Form von Kopfschmerzen, stattfindet.
Aktuelle Therapiemöglichkeiten
Aktuell gibt es noch keine rein störungsspezifische Therapie
ausschließlich gegen somatoforme Störungen. Zwar wird störungsorientiert gearbeitet, eine Heilung kann aber nicht fest versprochen werden. Die Therapie gestaltet sich multimodal und basiert zunächst auf der Behandlung der körperlichen Symptome und im zweiten Schritt auf der Psychotherapie. Mitunter werden schwere Krankheitsbilder auch in einer Tagesklinik oder stationär behandelt. Medikamente werden vorwiegend in der Frühphase eingesetzt, um eine symptomoptimierte Erleichterung zu verschaffen. Hierbei muss dem Patienten jedoch verständlich gemacht werden, dass keine körperliche Erkrankung behandelt wird, sondern die Stressrezeptoren beruhigt werden sollen.
Hauptziel der Therapie ist die Verbesserung der Lebensqualität. Patient:innen sollen in der Therapie lernen, dass nicht jede Körpersensation unbedingt ein Krankheitsbild oder ein Krankheitssymptom darstellt.
Grundsätzlich können auch nach einer erfolgreichen Therapie Patient:innen „anfällig“ für Rückfälle in Stresssituationen bleiben. Bei einem Drittel der Patient:innen mit langen chronischen Verläufen und einer sehr langwierigen Vorgeschichte ist keine relevante Verbesserung möglich. Neben der Behandlung der Patient:innen ist auch eine Beratung der Angehörigen notwendig. Sie benötigen Unterstützung und Mitgefühl, da sie selbst eine wichtige unterstützende Aufgabe für den Betroffenen übernehmen. Wichtig ist hier vor allem die Psychoedukation
und gegebenenfalls die Bibliotherapie. Sport und Entspannungsverfahren können zusätzlich helfen, die Körperpsychotherapie zu unterstützen.
Grundsätzlich kann man somatoforme Störungen als eine große Herausforderung innerhalb der Medizin bezeichnen, da oft ein langwieriger und aufwendiger Therapieverlauf mit Beteiligung mehrerer Ärzt:innen und Therapeut:innen notwendig ist.
Somatoforme Störungen erkennen
Wichtig ist eine klare Abgrenzung der somatoformen Störung von der Hypochondrie. Eine Frage, die hierfür gestellt werden kann, ist, ob Patient:innen unter Beschwerden oder unter der Angst leiden, dass sie eine schlimme Krankheit bekommen könnten. Mit dieser Frage lässt sich schon in einem recht frühen Stadium differenzieren, um welches der beiden Krankheitsbilder es sich handelt. Wenn die Angst deutlich über den tatsächlichen Beschwerden überwiegt, kann es sich um eine Hypochondrie handeln.
Für die Charakteristik von somatoformen Störungen hat man sich zudem auf die „Didisis“ verständigt.
- High disability: stark eingeschränkte Lebensqualität, vergleichbar mit Krebspatienten im stabilen Stadium
- Depression
- Disuse and degeneration: Fehlgebrauch und Abbau körperlicher Fähigkeiten
- Drug misuse: Medikamente gegen Symptome werden nicht abgesetzt
- Doctor shopping / Doctor hopping: Patient:innen suchen zahlreiche Ärzt:innen auf
- Dramatic accounts of illness: Patient:innen berichten in dramatischer Art und Weise von Beschwerden
Sind Sie betroffen? Kriterien für eine Somatisierungsstörung (F45.0)
Wie kann ich Ihnen helfen?
In der Behandlung somatoformer Störungen höre ich mir zunächst Ihre Geschichte, Ihre Leiden und Symptome ausgiebig und in aller Ruhe an. Gemeinsam werden wir Erklärungsmodelle zur Deutung Ihrer körperlichen Beschwerden entwickeln. Mithilfe psychophysiologischer und sozialer Modelle werden Sie lernen, anders mit Ihren Körperbeschwerden umzugehen und psychologische Modelle werden ihnen helfen, die auslösenden Faktoren zu verstehen und zu bearbeiten.
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